Wirkstoff P – Überdosis

Wirkstoff P – Überdosis

 

Format: Digital

Out: March/April, 2021

Label: DIY / Eigenproduktion

 

I

Mit ihrem Debut „Maximale Optimierung“ konnten die Osnabrücker Oldpunx Wirkstoff P 2019 verdient eine Menge Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Wie Phoenix aus der Asche stieg die Band aus den Tiefen Osnabrooklyns auf und belebte mit  ihrem fantastisches Punkrockalbum einen schon lange am Tropf hängenden Patienten: Punk mit deutschen Texten. Neunmal wurde jedermann gewahr, dass die (abgedroschene) Phrase „P*nks n*t d**d“ die Wahrheit ist. Die ganze Wahrheit. Das lässt sich HIER sogar überprüfen:

 

 

II

Fast zwei Jahre hat es bis zur Veröffentlichung des Nachfolgealbums „Überdosis“ gedauert. Und das Ding knallt ganz gewaltig. Der Opener „Vodger-Lennon“ spuckt uns in kurzen 89 Sekunden seine sozio-politische Kritik ins Gesicht und stimmt kompromisslos auf die Marschrichtung der 12 Tracks ein. Die Affinität zu Splatter und Horror ist ein mehrmals wiederkehrendes Thema auf „Überdosis“. „Tanja“s unglückliches Schicksal teilen wir in einem klassischen Stop and Go-Track, auch der „Reitersong“, ein herrlicher Uffta Uffta-Kracher und „Spiegelbild“, das mit DEM ultimativen Dead Kennedys-Gitarrenlauf mitreißt, nehmen das blutige Motiv im Text ebenfalls auf.

 

III

Die Band bezieht auf „Überdosis“ klarer und eindeutiger politisch Stellung als auf ihrem Erstlingswerk. „Stop and go“ kritisiert die aktuellen Abschiebemethoden, ein Thema, das auch in „Rastlos und wütend“ noch einmal aufgenommen wird,  „Rocksong“ beklagt Gier und Untätigkeit in Politik und Regierungskreisen, kritisiert den spürbaren Rechtsruck im Land, während unaufhaltsam die Zeit davonläuft, etwas zu ändern. 

 

IV

Sind Mitmenschlichkeit und (persönliche) Freiheit unsere Ziele, die Umsonst-und-draußen-Methode oder die Kauf oder stirb-Konsumhaltung? Leben wir lieber als Gesellschaftsfeinde und enteignen mit Maske unseren Nächsten? Wirkstoff P arbeiten sich an diesen Gedankensträngen ab, werten, kommentieren, wettern und streiten, lassen uns aber auch eigene Entscheidungsräume. Die Texte sind plakativ, provokativ, kontrovers. Who cares about anything? 

 

V

„Überdosis“ knüpft musikalisch mit einigen Songs direkt dort an, wo „Maximale Optimierung“ aufhört („Vodger-Lennon“, „Reitersong“, „Rocksong“), wodurch wir uns irgendwie sofort gut abgeholt fühlen, vor allem, weil das hohe Niveau des Erstlings locker gehalten wird. Garage und sogar Psychedelic klingen bei „Rastlos und wütend“, „Puppen und Parasiten“ und „Spiegelbild“ durch, was das ganze Album noch vielschichtiger macht. Der eingängige Punk von Wirkstoff P wird durch die Betonung des Rock facettenreicher. Clevere Tempowechsel perfektionieren das Ganze. Kaum „aufgelegt“, schon sind die 30 Minuten vorbei. Fast wie ein Rausch.  

 

VI

Für ein im DIY-Rahmen entstandenes Album klingt „Überdosis“ extrem gut produziert, wofür sich wie beim Debut die Technik des House of Love in der Osnabrücker Rheinstraße verantwortlich zeichnet. Michaels Gitarre und Patricks Basslines erzeugen mächtig Druck, Christians Drums treiben, der Mix tut sein übriges. Heikos Vocals besitzen ein breiteres Spektrum als bei „Maximale Optimierung“, die Lyrics sind wesentlich besser zu verstehen, was qualitativ noch einmal Welten ausmacht.

 

VII

„Überdosis“ ist sooo gut geworden, dass es eigentlich ein professionelles Label nebst gutem Vertrieb, und damit eine weite Verbreitung verdient. Wie auch immer, momentan steht das Album auf der Soundcloud-Seite von Wirkstoff P zum Anhören zur Verfügung. Give it more than one listen!

 

 

Punkte: 4,5/5 (sehr gut bis genial)

Wiederum absolute Hör- (und Kauf)empfehlung. Hast Du „Überdosis“ gerade auf den Ohren: Glückwunsch, alles richtig gemacht. This is your day. 

Uberflieger: Tanja, Hipster-Schickse… hört rein und bildet Euch ein eigenes Urteil 

 

1: bitte nicht kaufen                      2: hörbar                     3: gut                     4: sehr gut                  5: genial!