4 Zimmer Küche Bad – Lasst Liebe regieren
4 Zimmer Küche Bad – Lasst Liebe regieren
Format: Vinyl / CD / Digital
Out: March, 26th, 2021
Label: Alterbreed Records
I
Mit „Lasst Liebe regieren“ veröffentlichen die Limburger Rock-Pop-Punks nach dem Debüt „Eigentlich müsste man mal“ im Frühjahr 2021 ihr zweites Album. Seit 2017 spielen die vier bei „4 ZKB“, blicken aber allesamt bereits auf langjährige Musikerkarrieren zurück.
Wer bei „Lasst Liebe regieren“ ein bombastisches Altherren-Egoalbum erwartet, wird glücklicherweise auf der ganzen Linie enttäuscht. 4 Zimmer Küche Bad spielen einen druckvollen Mix aus (Punk-) Rock und Pop, der immer gut für eingängige und hitverdächtige Melodien ist. Abgehen ist genauso angesagt wie groovende Sounds, stete Abwechslung und Kurzweil ist Programm.
II
Der Opener und Titeltrack „Lasst Liebe regieren“ rockt energisch mit einem deutlichen Punktouch und zeigt, dass 4 ZKB eine wütende Message transportieren: Liebe statt Kapitalismus. Menschlichkeit statt Business. „Bonzenbrenner“ zeigt im Anschluss das gute Händchen für catchy Songs mit Ohrwurmpotential. Der Song kommt weitaus poppiger, aber genauso kritisch wie das Titelstück an. „Jeden Tag aufs Neue gestern“ setzt dann sogar noch einen drauf und beweist Hitcharakter. Hier zeigen 4 ZKB, dass kritische Texte durchaus in einen mitreißenden Song verpackt werden können.
„Nicht schon wieder aufstehen“ hält uns den Spiegel vor unsere hässliche ignorante Alltagsmaske: statt zu handeln, lassen wir uns in den Alltagstrott drängen und treten auf der Stelle statt uns zu bewegen. So! Verändern! Wir! Nichts! „Zuschauer“ knüpft nahtlos an den Vorgänger „“Nicht schon wieder aufstehen“ an: Konsum statt Aktion, Wohlstand statt Kampf um Gerechtigkeit und soziale Gleichheit. Verpackt wird die Sozialkritik in einen rotzigen, punkriffigen Mantel, der den Vergleich mit Kmpfsprt provoziert, allerdings einen entscheidenden Unterschied offenbart: 4 ZKB haben ein begnadetes Händchen für melodiöses Songwriting, das beim Zuhören sofort zupackt und einen nicht mehr loslässt.
„Licht aus der Vergangenheit“ nimmt das Tempo etwas heraus und lässt uns in der Mitte des Albums etwas durchschnaufen, um mit der ersten Singleauskopplung „Egoland“ fortzufahren, einer bissigen Abrechnung mit dem glücklicherweise abgelösten US-Präsidenten Donald Trump. Was nicht heißt, dass wir vor ähnlichen Situation in unseren Breitengraden gefeit sind. „Egoland“ verbindet seinen ätzenden Text auch an dieser Stelle mit einem poppig-melodiös-eingängigen Punkrockkracher.
„World Wide Web Emotion“ rechnet dann mit unserer geheuchelten Menschlichkeit, die wir vor allem im Netz an den Tag legen, in der realen Welt allerdings häufig vermissen lassen, ab. Zuckersüss-poppig verpackt, prangert dieser Song bildhaft unsere Emotionslosigkeit an. Die Auswirkung dieser Emotionslosigkeit zeigt uns „Lass uns streiten“ auf: Wir werden bindungsunfähig, weil wir unser Harmoniebestreben unserer Beziehung unterordnen: Statt zu streiten trennen wir uns. „Lass uns streiten“ macht uns druckvoll-aggressiv klar, wo wir stehen. Dass wir ohne Mitgefühl in unserem Wohlstand zugrunde gehen, zeigt dann der Indie-Pop-Hit „Empathie“. Ohne Gefühl existiert keine Menschlichkeit, kein Verständnis, keine Geborgenheit.
„Richtig gelebt“ ist die zweite Auskopplung aus dem Album, ein Abgehsong mit starkem Wiedererkennungswert. Punk Rock at its best! „Niemals wieder“ warnt uns danach eindringlich, unsere Ängste und Befürchtungen nicht in eine Abhängigkeit von falschen Führern zu kanalisieren. „Niemals wieder“, was wir damals bereits einmal erleben mussten!
Abschließend appelliert „Sicher in Gefahr“, eine fast balladeskes Gitarrenstück, zu überdenken, ob die Sicherheit unseres Jobs, unseres Wohlstands nicht letztendlich die Gefahr birgt, dass uns unsere Freiheit der individuellen Entfaltung genommen wird. Ist unsere Sicherheit nicht am Ende nur ein Gefängnis? Mit dem Schlussakkord lässt uns „Lasst Liebe regieren“ nachdenklich zurück. Wie soll es weitergehen…
III
„Lasst Liebe regieren“ lässt in Sachen Abwechslungsreichtum absolut keine Wünsche offen. Neben den bereits gefeierten starken Melodien bietet das Album zusätzlich sozialkritische aber griffige, zur Reflexion auffordernde intelligente Texte. Ein bisschen „alte Kmpfsprt“, ein wenig „Dritte Wahl-Songwriting“ und jede Menge Eigenständigkeit machen „Lasst Liebe regieren“ zu einer hohen Hürde für alle anderen Indie-Pop-Rock-Punk-Veröffentlichungen des Frühjahrs 2021.
Kaufen, anhören, mitgehen, selbst was machen! Das ist die Aufgabe.
Band
Tilli – voc
Biedy – git
Olli – bass
Manu – drums
„Richtig gelebt“ on YouTube:
Punkte: 4,5/5
Uberflieger: Richtig gelebt
1: bitte nicht kaufen 2: hörbar 3: gut 4: sehr gut 5: genial!